Jan 10, 2023

Gesundheitsimmobilienmarkt stark durch Zinsumfeld und gestiegene Kosten gekennzeichnet

  • Transaktionsvolumen im Gesamtjahr 2022 mit 2,46 Mrd. Euro rund 37 Prozent unter dem Vorjahrsresultat
  • Paketverkäufe nehmen spürbar ab
  • Deutsche Investoren marktbestimmend  
  • „Offene Immobilienfonds und Spezialfonds“ für über die Hälfte des Umsatzes verantwortlich
  • Spitzenrendite im Jahresverlauf auf 4,20 Prozent gestiegen
  • Ausblick: Veränderte Marktbedingungen als Chance für Investoren und Betreiber

Frankfurt am Main, 10.01.2023 – Der Transaktionsmarkt für Gesundheitsimmobilien in Deutschland hat sich nach einer Analyse von NAI apollo im Jahresverlauf 2022 der Gesamtmarktentwicklung aus Zinsanstieg, Inflation sowie der aktuellen geopolitischen Lage nicht entziehen können. In der untersuchten Assetklasse der Healthcare-Immobilien, worunter NAI apollo Pflegeheime und Betreutes Wohnen (einschl. Tagespflegeeinrichtungen und Wohngruppenkonzepte), Ärztehäuser und Medizinische Versorgungszentren sowie Krankenhäuser und Reha-Einrichtungen fasst, ist ein Transaktionsvolumen in Höhe von 2,46 Mrd. Euro erfasst worden, 37,1 Prozent weniger als im Jahr 2021 mit 3,91 Mrd. Euro.

„Der Rückgang des Transaktionsvolumens nach dem Rekordjahr 2021 ist primär auf ein signifikant gesunkenes Portfoliovolumen zurückzuführen. Der Portfolioanteil unter den Transaktionen konnte zwar im Vergleich zum Halbjahr von 34,9 Prozent auf 45,8 Prozent gesteigert werden, jedoch bewegen sich die erfassten 1,13 Mrd. Euro für das Gesamtjahr 2022 mehr als 50 Prozent unter dem Vorjahreswert“, analysiert Dr. Konrad Kanzler, Head of Research bei NAI apollo. Der größte Paketverkauf des zweiten Halbjahres 2022 erfolgte mit dem Sale-&-Lease Back-Geschäft von neun ProCurand-Einrichtungen. Die fast 700 Betten in Pflegeeinrichtungen sowie über 450 Einheiten für betreutes Wohnen wurden durch Primonial erworben. „Für eine Belebung des Portfolioanteils in den kommenden Monaten werden mehrere aktuell in der Vermarktung befindliche Pakete sorgen, die seit dem Herbst auf dem Markt sind. Hierunter sticht das Deutsche Wohnen-Portfolio mit 71 Standorten hervor, welches in den nächsten Monaten zum Abschluss gebracht werden könnte“ ergänzt Sebastian Deppe, Geschäftsführender Gesellschafter von NAI apollo Healthcare. Einzelverkäufe summieren sich im Jahr 2022 auf rund 1,33 Mrd. Euro, was einem Marktanteil von 54,2 Prozent entspricht. Damit befindet sich dieses Volumen rund 7 Prozent unter dem Vorjahreswert. Der größte Einzeldeal des Jahres bleibt der Kauf des Ensembles aus Ärztezentrum und medizinischen Dienstleistungszentrum „Medical Cube“ in Rosenheim durch Captiva für 69 Mio. Euro.

Pflegeheime und Betreutes Wohnen weiterhin dominierendes Segment

Auf dem Gesundheitsimmobilienmarkt bleibt das Segment der „Pflegeheime und Betreutem Wohnen“ führend. „Mit einem Transaktionsvolumen von rund 1,89 Mrd. Euro bzw. einem Anteil von 77 Prozent wurde die Spitzenposition manifestiert. Hierbei muss festgehalten werden, dass, vor allem durch einen spürbar geringeren Anteil an Paketen in dieser Kategorie, sich das Volumen 44 Prozent unter dem Vorjahreswert einordnet und damit für die Gesamtmarktabnahme verantwortlich ist“, so Kanzler, Head of Research bei NAI apollo. Darauf folgen die „Ärztehäuser und Medizinische Versorgungszentren“, welche mit einem Volumen von rund 416 Mio. Euro die zweitstärkste Kategorie bilden (16,9 Prozentanteil). Das Transaktionsvolumen bei „Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen“ ist gegenüber dem Vorjahr um 17 Prozent auf aktuell 150 Mio. Euro angestiegen, womit diese nun für einen Marktanteil von 6,1 Prozent verantwortlich sind.

Deutsche Investoren sind marktbestimmend

Die Verteilung der Herkunft der Käufer von Gesundheitsimmobilien zeigt sich wie im Vorjahr. So sind deutsche Investoren für 63,7 Prozent (2021: 61,6 Prozent) des gehandelten Kapitals oder rund 1,57 Mrd. Euro verantwortlich. „Entsprechend bewegt sich der Marktanteil internationaler Investoren in 2022 bei 36,3 Prozent bzw. 0,9 Mrd. Euro, und damit nur leicht unter dem Vorjahr mit 38,4 Prozent. Wichtigste ausländische Käufernationen für deutsche Gesundheitsimmobilien sind dabei Frankreich, Belgien und die Schweiz mit Ankäufen durch beispielsweise Primonial oder Cofinimmo“, erläutert Kanzler. Bei den Investorentypen sind weiterhin „offene Immobilienfonds & Spezialfonds“ dominierend, mit zuordenbaren Investments in Höhe von rund 1,44 Mrd. Euro vereinen sie über die Hälfte des erzielten Gesamtvolumens. „Hierbei ist eine Tendenz von einigen wenigen Fondsgesellschaften zu beobachten, auch mit kleineren Betreibern bzw. Familienbetrieben langfristige Pachtverträge einzugehen. Wie beispielsweise TSC und Pflegedienst Krüger in Halberstadt oder Primonial und Pflegeheim Muus in Celle. Bisher galt zur Fondsfähigkeit eher die Regel: mindestens fünf Häuser, 500 Betten und fünf Jahre am Markt“, so Deppe.

Die Spitzenrendite wird weiter ansteigen

Die Spitzenrendite liegt zum Jahresende 2022 bei 4,20 Prozent und damit 20 Basispunkte über dem Vorjahreswert. „Allerdings ist dies vor dem Hintergrund einer gewissen Zeitverzögerung von Anbahnung, bereits günstig reserviertem Geld und Closing im Sommer zu sehen. Seit dem Zinsanstieg sind die Kaufpreise um ca. 3 bis 4 Faktoren gefallen, vor allem bei Investoren mit hohem Fremdkapitalhebel. Trotzdem bewegen sich gute Bestandshäuser mit neuem, fondsfähigem Pachtvertrag bei Faktoren zwischen 14 und 17, in Ausnahmefällen bzw. jüngeren Baujahren auch bei 18 bis 19“, erläutert Deppe. Auch in diesem Segment ist die Bodenbildung bei den Renditen noch nicht abgeschlossen. Insofern ist in den nächsten Monaten mit weiteren Renditeanstiegen zu rechnen, wenngleich nicht mehr in der Intensität wie im Jahr 2022.

Erhöhte Kosten für Betreiber und Bewohner bedürfen einer Lösung

Deutliche Unsicherheit kam in den letzten Monaten durch die steigenden Personal- und Energiekosten in den Markt, über deren Refinanzierung noch mit den Kostenträgern und der Politik gerungen wird. „Zum einen gibt es eine spürbare Welle von Insolvenzen im Pflegebereich, zuletzt etwa beim Pflegeheimbetreiber Curata. zum anderen wird der Sozialhilfeanteil in der Pflege sprunghaft steigen, wie wir bald in einer separaten Studie zeigen“, erklärt Deppe. Am deutlichsten betrifft dies die neuen Bundesländer, z.B. Sachsen mit einer durchschnittlichen Kostensteigerung von ca. 500 Euro pro Monat – in der Spitze allerdings 1.300 Euro pro Platz und Monat. Der zentrale Grund hierfür ist bei den privat geführten Häusern zu finden, die ihr Personal bisher deutlich unterhalb der Tariflöhne vergüteten und die nun nachlegen mussten. Dies setzt allerdings einen Teufelskreislauf in Gang: „Wenn Hunderte Euro mehr aufgewendet werden müssen, rutschen viele Bewohner in die Sozialhilfe ab und der Sozialhilfeträger muss die anteilige Gebäudemiete zahlen – in dem Fall liegen die Sätze aber oft viel geringer als für Selbstzahler. Dementsprechend nimmt das Pflegeheim weniger Geld für die Pacht ein. Gleichzeitig stehen aber die Immobilieneigentümer in den Startlöchern, um ihre vertraglich vereinbarten Wertsicherungen einzufordern, zum Ausgleich der Inflation. Dies wird den Investmentmarkt beeinflussen und ggf. auch die Bewertung von Portfolien“, ordnet Deppe die aktuelle Lage ein.

Ausblick

Es ist insgesamt absehbar, dass die Politik die Pflegeheime als systemkritische Einrichtungen nicht vernachlässigen kann. Der neue Vorstoß des Gesundheitsministers, im nächsten Schritt 2 Mrd. Euro für stationäre Pflegeheim bereitzustellen, ist ein positiver Anfang und bedeutet rein rechnerisch bei 14.000 Pflegeheimen rund 143.000 Euro Entlastung pro Einrichtung.

„Zusammenfassend können die Marktveränderungen als einmalige Chance gesehen werden, um durch Zukäufe auf Betreiber- und Immobilienseite ein hohes Wachstum zu erreichen. Die zuletzt stark voneinander abweichenden Preisvorstellungen auf Verkäufer- und Käuferseite werden sich schrittweise wieder annähern. Die Marktaktivitäten werden sich allerdings auf Bestandsimmobilien fokussieren. Für den Neubau muss die weitere Entwicklung zeigen, ob die Baupreise wieder weit genug sinken bzw. ob die Landkreise und Städte höheren Mietansätzen für Sozialhilfeempfänger zustimmen“, so Deppe.